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Plastische Chirurgie ist nicht gleich Schönheitschirurgie

Faltenlose Gesichter, gestraffte Brüste, aufgespritzte Lippen – kein Tag vergeht, an dem die Medien nicht über prominente Zeitgenossen berichten, die um ihrer vermeintlichen Schönheit willen Hand an sich legen lassen. Noch nie hatten so viele Menschen wie heute die Möglichkeit, ihr Aussehen durch chirurgische Eingriffe verändern zu lassen. Die verbreitete Mentalität des „Erlaubt ist, was gefällt“ hat aber auch zu einer reduzierten, oftmals falschen Wahrnehmung von Plastischer Chirurgie geführt. „Schönheitschirurgie“ ist zum Synonym für Plastische Chirurgie schlechthin avanciert. Plastische Chirurgen erscheinen als Schönheitsdienstleister, die sich dem Zeitgeist und den individuellen Wünschen ihrer Kunden unterwerfen.

Plastische Chirurgie ist zu allererst Heilkunst

Es ist zunehmend aus dem Blick geraten, was die Plastische Chirurgie als medizinische Disziplin eigentlich leistet. Ihre Wurzeln liegen vor allem in der wiederherstellenden (rekonstruktiven) Medizin. Und heute mehr denn je leistet die Plastische Chirurgie grundlegende Beiträge zum Lebenserhalt und zur Verbesserung der Lebensqualität zahlloser Menschen, die ohne den Einsatz Plastischer Chirurgen ihrem Schicksal überlassen blieben.

Ehrgeiz und Forschungsdrang im Dienst der Gesundheit

Bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. gelang indischen Ärzten zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte eine Rekonstruktion der menschlichen Körperoberfläche: die erste Nasenplastik. Die Kunst der Wiederherstellung der Form und Funktion von Körperteilen verbreitete sich von hier aus in andere Kontinente und Länder. Ärzte im Alten Ägypten und im antiken Griechenland operierten erfolgreich Schädelfrakturen und entfernten Knochensplitter aus den Wunden.

Ihre Blüte erlebte die Plastische Chirurgie im 19. Jahrhundert. Naturwissenschaftlicher Fortschritt und bahnbrechende Erkenntnisse der menschlichen Anatomie haben die Plastische Chirurgie revolutioniert. Spektakuläre Erfolge verbinden sich vor allem mit dem deutschen Chirurgen Johann Friedrich Dieffenbach (1795 – 1847). Ihm gelangen Operationen zur Wiederherstellung dramatischer Verunstaltungen des Gesichts, die man bis dahin nicht für möglich hielt. Angetrieben von dem Bestreben, den Menschen durch die Normalisierung ihrer körperlicher Formen und Funktionen ein würdiges Leben zu ermöglichen, wurden Operationsverfahren und Nahttechniken stetig perfektioniert. Sie erschlossen der Plastischen Chirurgie immer neue Behandlungsmöglichkeiten bis hin zur Replantation von Gliedmaßen oder sogar der Transplantation ganzer Gesichtspartien. Die Rekonstruktive Chirurgie war nicht nur der

Ursprung der Plastischen Chirurgie, sie ist die Mutterdisziplin eines heute komplexen und hoch differenzierten medizinischen Fachgebietes.

Perfektionierte Wiederherstellungsmedizin als Marktbereiter Ästhetischer Chirurgie

Parallel zu den neuzeitlichen Entwicklungen in der Rekonstruktiven Chirurgie wuchs ebenso die Bedeutung der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie. Denn die innovativen Mittel und Methoden der Wiederherstellung ermöglichen auch die Erfüllung von Wünschen nach körperlicher „Schönheit“. Allerdings ist das Bedürfnis der Menschen, die eigene körperliche Erscheinung zu vervollkommnen oder zu verbessern, nicht neu.

Das Streben nach ewiger Jugend und Schönheit ist ein Phänomen, das sich quer durch die Kulturgeschichte von der Antike bis zur Neuzeit zieht. Aber erst neue Operationstechniken sowie eine beispiellose Kommerzialisierung öffnete die Ästhetische Chirurgie einem Massenpublikum. Unsere Kultur hat sich längst vom antiken „Gesamtkunstwerk“ des Menschen als geistig, moralisch und körperlich schöner Person verabschiedet.

Erlaubt ist, was gefällt?

Ein grundlegendes Missverständnis wäre es indessen, daraus die Legitimation für eine Haltung abzuleiten, die dem Credo „Erlaubt ist, was gefällt“ folgt. Die überwiegende Mehrheit seriöser

Plastischer Chirurgen sieht dies allerdings anders. Denn die Ästhetische Chirurgie unterscheidet sich sowohl ethisch als auch rechtlich grundlegend von ihrer rekonstruktiven Mutterdisziplin. Während bei medizinisch notwendigen (rekonstruktiven) Eingriffen der Arzt zur Operation rät oder diese unausweichlich ist, stellt bei ästhetisch chirurgischen Eingriffen der Patient aus seiner subjektiven Befindlichkeit heraus gewissermaßen selbst die Indikation. Dies tut er aber als medizinischer Laie, das heißt ohne hinreichendes Wissen über Chancen und Risiken, Erfolgsaussichten und Grenzen.

Ästhetisch-Plastische Chirurgen tragen eine besondere Verantwortung

Genau deshalb stehen Ärzte in der Ästhetischen Chirurgie – jenseits ihrer zwingend notwendigen fachärztlichen Qualifikation – vor einer besonderen Herausforderung und Verantwortung. Nur ein informierter und aufgeklärter Patient kann in seinen Entscheidungen souverän sein. Die zentrale Aufgabe des Plastischen Chirurgen besteht also vor allem in der umfassenden Beratung. Er muss die individuellen Motive bestmöglich ergründen, Nutzen und Risiko müssen streng gegeneinander abgewogen werden. Liegen dem Patientenwunsch psychische Störungen, Lebenskrisen oder falsche Erwartungen zugrunde, ist gleichsam die Demarkationslinie erreicht, die den verantwortungsvollen Chirurgen „Nein“ sagen lässt.

Die Qualifikation des Arztes ist entscheidend

Die wachsende Banalisierung Ästhetischer Chirurgie geht im öffentlichen Meinungsbild mit einer Entwertung der Plastischen Chirurgie insgesamt einher. Plastische Chirurgen müssen heute zunehmend um ihren guten Ruf kämpfen. Denn in der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass sich in Deutschland jeder approbierte Arzt als „Schönheitschirurg“ bezeichnen darf. Und ebenso wenige Menschen wissen, dass es Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie gibt, die durch eine sechsjährige Fachausbildung mit allen Teilgebieten der Plastischen Chirurgie vertraut sind. Qualifikation und Erfahrung sind wesentliche Voraussetzungen sowohl für das verantwortliche Handeln von Ärzten wie auch für das Vertrauen der Patienten in das ärztliche Handeln.

Ein komplexes und differenziertes Fachgebiet der Medizin – Plastische Chirurgie auf einen Blick

Die Plastische Chirurgie untergliedert sich in vier Teilgebiete, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Im der medizinischen Praxis sind die Übergänge oft fließend:

Ästhetisch-Plastische Chirurgie

Das heute in den Medien meistbeachtete Teilgebiet der Plastischen Chirurgie ist die ästhetisch-plastische Chirurgie. Sie dient der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes.

Bei den in erster Linie formverändernden Operationen gehören die Beratung und Aufklärung des Patienten zu den Hauptaufgaben der Chirurgen. In der sorgfältigen Abwägung von Patientenwunsch und ärztlicher Verantwortung müssen die Gespräche ergebnisoffen geführt werden.

Plastisch-Rekonstruktive Chirurgie

In der Plastisch-Rekonstruktiven Chirurgie steht die Wiederherstellung der körperlichen Funktionen und Formen, z. B. nach Tumoroperationen (Brustrekonstruktion) oder Unfällen im Mittelpunkt. Es geht aber auch um die Schaffung normaler Formen und Funktionen bei angeborenen Fehlbildungen. Mikrochirurgische Techniken (Operieren unter dem Mikroskop) haben die Möglichkeiten der rekonstruktiven Medizin erheblich erweitert. Sie werden angewendet, wenn das bloße Auge nicht mehr ausreicht, Gefäße oder Nerven präzise zu erkennen.

Verbrennungschirurgie

Die Verbrennungschirurgie nutzt ähnliche operative Methoden wie die Rekonstruktive Chirurgie. Bei einem Verbrennungsopfer geht es vor allem um den Erhalt des Lebens.

Verbrannte und abgestorbene Hautteile müssen entfernt, der Verlust von Körperflüssigkeit muss eingedämmt werden. Erst danach beginnt eine oft lang andauernde Behandlung mit mehreren Operationen bis zur endgültigen Wiederherstellung der Körperoberfläche. Dabei geht es auch um die Vermeidung großflächiger Narben.

Handchirurgie

Die Handchirurgie, ein bedeutendes Teilgebiet der Plastischen Chirurgie, kombiniert viele unterschiedliche Operationsmethoden. In der Hand liegen auf engstem Raum feinste Strukturen von Sehnen, Nerven und Blutgefäßen dicht beieinander. Mikrochirurgische Verfahren ermöglichen heute z. B. die Replantierung abgetrennter Finger oder ganzer Gliedmaßen. Die in mikrochirurgischen Verfahren eingesetzten Nadeln sind nicht dicker als 1/15 mm, die verwendeten Fäden sind deutlich feiner als Haare.

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